Leserbrief der

vom 15.01.2022

Planverfahren ohne Prüfung des Artenschutzes

Betrifft: Kritik an Naturschutzbehörden

Bei einem kritischen Leserbrief zum Thema Biolandwirtschaft, dem ich inhaltlich nur zustimmen kann, fiel mir auf, dass der Verfasser eingangs schrieb: „Die Erhaltung der Natur (sei) in aller Munde“. Dem möchte ich widersprechen und gleich den Gegenbeweis anführen. Im Grußwort der neuen Landrätin kommen weder der Begriff Natur noch Artenschutz oder Biodiversität vor.

Dabei ist das Thema dringender als neue Wachstums- und Entwicklungskonzepte, bessere Mobilität, Wohnungsbau oder Katastrophenplan. Zugegeben sind das auch wichtige Probleme, aber nichts gegen das menschenverursachte Artensterben. Zeitgleich mit dem Grußwort erschien in der EJZ ein Artikelchen folgenden Inhalts: Die Zahl der in Europa lebenden Brutvögel ist zwischen 1980 und 2017 um 17 bis 19 Prozent gesunken. Die Vögel seien Opfer von Umweltverschmutzung und intensiver Landwirtschaft.

Insgesamt sei insbesondere der Bestand an sogenannten Allerweltsarten um 600 Millionen Tiere zurückgegangen. Ebenfalls zur gleichen Zeit wurde in der Fortsetzung der Krefelder Studie bestätigt, dass in 21 untersuchten Naturschutzgebieten Insekten mit Pestiziden belastet sind. In 16 Gebieten wurden sogar die inzwischen verbotenen Neonicotinoide nachgewiesen. Dazu passt dann die Meldung, dass die EU-Kommission im Jahr 2021 zwei Klagen gegen Deutschland eröffnete, weil die FFH- und die Vogelschutzrichtlinie immer noch nicht ordnungsgemäß umgesetzt wurden. Der Landkreis ist meines Erachtens in beiden Verfahren als Täter involviert.

Dass die Klagen ihre Berechtigung haben, zeigen die aktuellen Bauvorhaben. Quer durch den Landkreis lässt sich als Standard erkennen, wie naturschutzrechtliche Regelungen ignoriert werden. Seien es die aktuellen Baumaßnahmen ohne Artenschutzprüfung am Thielenburger See oder Bauleitplanverfahren in Nebenstedt, Pevestorf oder Hitzacker, die alle ohne Artenschutzprüfung betrieben werden. In allen Fällen ist der Landkreis als Naturschutzbehörde zuständig. Aber auch im Biosphärenreservat Elbtalaue, wo mit großem Finanzaufwand die Sanierung der Dömitzer Brücke durch die Samtgemeinde betrieben wird, stört man sich wenig an Vorschriften.

Dort ist als Naturschutzbehörde die Biosphärenreservatsverwaltung (BRV) zuständig. Auch dort verzichtet man meines Erachtens nach auf gesetzlich vorgeschriebene naturschutzfachliche Prüfungen und übt sich in Verbotsbefreiungen auf rechtsfehlerhafter Grundlage. Interessant ist, dass sowohl beim Landkreis als auch bei der BRV die Führungspositionen 2021 neu besetzt wurden.

Geändert hat sich in Sachen Naturschutz nichts. Wie auch. Vor neuem Wein in alten Schläuchen warnte schon zu biblischen Zeiten Matthäus (Mt 9,14–17). Zeitgemäßer ausgedrückt hieße das heute: same procedure than every year.

 

Willy Hardes,
Braasche

Bearbeitet am: 17.01.2022/ad


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