Leserbrief der

vom 15.12.2022

Bohei um überschwemmte Wiesen  

Betrifft: Artikel „Selten, aber nicht unmöglich“ (EJZ vom 8. Dezember)  

Der Artikel über das 1,4-Millionen- Euro-Flurbereinigungsverfahren wegen des Bibervorkommens erscheint mir als der pure Populismus. In dem Bericht von Redakteur Rouven Groß wird nicht erwähnt, dass es in dem Verfahren um den Radwegebau von Streetz in Richtung Hitzacker bis zur Eisenbahnbrücke, um die Erneuerung der Straße von Lüggau nach Streetz inklusive zweier Gewässerdurchlässe und um den Ausbau von zwei Wirtscha‹ftswegen von Kähmen aus in Richtung Westen geht.

Die Baukosten und Grundstücksankäufe machen den Löwenanteil aus. Die Maßnahmen für den Biber betragen lediglich etwa 70 000 Euro. Und diese Maßnahmen müssen auch noch als grünes Mäntelchen für die neuen Asphaltflächen herhalten. Was auch nicht erwähnt wird: Der Streetzer Mühlenbach liegt nicht nur im Biosphärenreservat, sondern auch in einem FFH-Gebiet (und zusätzlich Vogelschutzgebiet).

Wenn man schon das Naturschutzgesetz zitiert, sollte man es verstehen, oder falls nicht, die Kommentare dazu lesen. Die Ausnahmemöglichkeiten, die Rouven Groß zitiert, die hier so einfach anzuwenden wären, unterliegen erheblichen Hürden, gerade wenn prioritäre Arten (Biber) oder Lebensraumtypen (natürlicher Bachlauf) als Schutzzweck in einem FFH-Gebiet betroffen sind. Zunächst wäre eine FFH-Verträglichkeitsprüfung erforderlich. Für eine Ablehnung eines Vorhabens reicht die hohe Wahrscheinlichkeit des Eintretens einer erheblichen Beeinträchtigung aus. Sie muss nicht konkret nachgewiesen werden. Sollte die Prüfung eine Erheblichkeit feststellen, könnte im Rahmen einer FFH-Ausnahmeprüfung nach § 34 (4) BNatSchG ein Projekt nur dann umgesetzt werden, wenn keine zumutbare Alternative an anderer Stelle oder mit geringeren Beeinträchtigungen gegeben ist.

Erst wenn das nicht möglich ist, wären Ausnahmen mit Genehmigung der EU-Kommission möglich. Die Überschwemmung von ein paar privaten Wiesen fiele dabei mit Sicherheit durch. Die vom Biber verursachten Überschwemmungen betreffen übrigens weniger als 100 Quadratmeter. Darum macht Rouven Groß solch ein Bohei.

Halten wir also fest, das Flurbereinigungsverfahren dient vorrangig dem öffentlichen Radwegebau und der Erschließung landwirtschaftlicher Flächen. Für den Biber sollen nur Flächen getauscht werden. Das könnte unter Umständen auch nur mittels eines Notars geschehen. Der Naturschutz ist mitnichten der Preistreiber. Der Naturschutz profitiert nur im geringen Umfang von dem Verfahren. Aber das passt Rouven Groß nicht. Wie schrieb er unlängst in einem Artikel, in dem er ebenfalls über Naturschutzmaßnahmen herzog: Können wir uns solchen Naturschutz noch leisten?

Besser wäre die Frage zu stellen, ob wir uns solchen Journalismus bieten lassen wollen.
Ich denke nein.

Willy Hardes,
Braasche

 

Bearbeitet am: 15.12.2022/ad


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