Leserbrief der


vom 03-09.2020

Provokation für Naturverbundene

Betrifft: "Mais, wo keiner sein sollte" (EJZ vom 24. August)

Da pflügt ein Landwirt einen öffentlichen Weg der Gemeinde Jameln um und baut seinen Mais dort an. Ein klarer, bußgeldbewehrter Straftatbestand einer Praxis, die eine Ursache für den Rückgang der Artenvielfalt ist. So weit, so frech.

Aber schwarze Schafe gibt es überall, und das Prinzip, die eigenen Interessen rücksichtslos durch Überschreiten von Grenzen zu verfolgen, funktioniert ‚oben wie unten'. Ob es Banken, Autobauer oder Einzelne sind, sie alle hoffen: Vielleicht merkt es ja gar keiner. Oder: Was soll schon passieren, wir sind wichtig genug. Oder: Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. So weit, so menschlich.

Dass aber aufsichtsführende Institutionen wie hier der Gemeinderat nicht auf die Einhaltung der Grenze bestehen, also auf Wiederherstellung des Weges auf Kosten des Landwirtes und einer Anzeige, sondern über eine nachträgliche Verpachtung zum Vorteil des betreffenden Landwirtes ernsthaft nachdenken und den Verstoß damit legalisieren wollen, ist nicht nur inakzeptabel, sondern eine Entscheidung mit verheerender Langzeitwirkung - auf Artenvielfalt und sozialen Zusammenhalt.

Die Sicht ‚die da oben machen sowieso, was sie wollen' funktioniert genauso auf der unteren lokalen Ebene. Der Beschluss hinterlässt Gefühle wie Hilflosigkeit, Resignation, Wut, Rache usw. und sät damit Zwietracht. Eine Suppe, die ewig weiter brodeln kann, auch wenn sich außer einem Zeitungsleser scheinbar niemand aufregt. Abgesehen davon, dass die Entscheidung über eine Strafe bei Verstößen gegen das Gesetz unter Abwägung des Einzelfalls hierzulande zum Glück immer noch einem Richter vorbehalten ist, ist das absichtsvolle Glattbügeln durch den Gemeinderat der weitaus größere Schaden.

Die Gemeinderäte haben das Wohl aller Mitglieder im Blick zu haben und nicht die Interessen einiger weniger. Viele leben und wohnen auf dem Land, weil sie die Natur schätzen und erhalten wollen - so sie denn noch da ist. Der Spaziergang auf landmaschienengerecht frisierten Wegen mit gemulchten Seitenstreifen und kreuz und quer liegendem Geäst inmitten trostloser Monokultur - den einen oder anderen Blühstreifen ausgenommen - ist schon eine tägliche Provokation für naturverbundene Menschen. Aber dass Gemeinderäte die Interessen der mehrheitlich nicht bäuerlich erwerbstätigen Landbevölkerung derart ignorieren, darf nicht unwidersprochen hingenommen werden. Ich kann nur an den Gemeinderat in Jameln appellieren, seiner Verantwortung gerecht zu werden und dem Landwirt die Grenzen aufzuzeigen. Ansonsten hat man zur Kenntnis zu nehmen, dass genau durch solche falschen Beschlüsse das ohnehin erschütterte Vertrauen in Institutionen und ganze Berufsstände weiter befeuert wird.
 

Thomas Nebel,
Trebel

Bearbeitet am: 15.12.2020/ad


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