Provokation für Naturverbundene
Betrifft: "Mais, wo keiner sein sollte" (EJZ vom 24. August)
Da pflügt ein Landwirt einen öffentlichen Weg der Gemeinde Jameln um und baut
seinen Mais dort an. Ein klarer, bußgeldbewehrter Straftatbestand einer Praxis,
die eine Ursache für den Rückgang der Artenvielfalt ist. So weit, so frech.
Aber schwarze Schafe gibt es überall, und das Prinzip, die eigenen Interessen
rücksichtslos durch Überschreiten von Grenzen zu verfolgen, funktioniert ‚oben
wie unten'. Ob es Banken, Autobauer oder Einzelne sind, sie alle hoffen:
Vielleicht merkt es ja gar keiner. Oder: Was soll schon passieren, wir sind
wichtig genug. Oder: Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. So weit, so
menschlich.
Dass aber aufsichtsführende Institutionen wie hier der Gemeinderat nicht auf die
Einhaltung der Grenze bestehen, also auf Wiederherstellung des Weges auf Kosten
des Landwirtes und einer Anzeige, sondern über eine nachträgliche Verpachtung
zum Vorteil des betreffenden Landwirtes ernsthaft nachdenken und den Verstoß
damit legalisieren wollen, ist nicht nur inakzeptabel, sondern eine Entscheidung
mit verheerender Langzeitwirkung - auf Artenvielfalt und sozialen Zusammenhalt.
Die Sicht ‚die da oben machen sowieso, was sie wollen' funktioniert genauso auf der unteren lokalen Ebene. Der Beschluss hinterlässt Gefühle wie Hilflosigkeit, Resignation, Wut, Rache usw. und sät damit Zwietracht. Eine Suppe, die ewig weiter brodeln kann, auch wenn sich außer einem Zeitungsleser scheinbar niemand aufregt. Abgesehen davon, dass die Entscheidung über eine Strafe bei Verstößen gegen das Gesetz unter Abwägung des Einzelfalls hierzulande zum Glück immer noch einem Richter vorbehalten ist, ist das absichtsvolle Glattbügeln durch den Gemeinderat der weitaus größere Schaden.
Die Gemeinderäte haben das Wohl aller
Mitglieder im Blick zu haben und nicht die Interessen einiger weniger. Viele
leben und wohnen auf dem Land, weil sie die Natur schätzen und erhalten wollen -
so sie denn noch da ist. Der Spaziergang auf landmaschienengerecht frisierten
Wegen mit gemulchten Seitenstreifen und kreuz und quer liegendem Geäst inmitten
trostloser Monokultur - den einen oder anderen Blühstreifen ausgenommen - ist
schon eine tägliche Provokation für naturverbundene Menschen. Aber dass
Gemeinderäte die Interessen der mehrheitlich nicht bäuerlich erwerbstätigen
Landbevölkerung derart ignorieren, darf nicht unwidersprochen hingenommen
werden. Ich kann nur an den Gemeinderat in Jameln appellieren, seiner
Verantwortung gerecht zu werden und dem Landwirt die Grenzen aufzuzeigen.
Ansonsten hat man zur Kenntnis zu nehmen, dass genau durch solche falschen
Beschlüsse das ohnehin erschütterte Vertrauen in Institutionen und ganze
Berufsstände weiter befeuert wird.
Thomas Nebel,
Trebel